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Der Traum vom Träumer
An einem Donnerstagabend Ende Juli ist es geschehen, die Luft war elektrisch geladen; ich bemerkte dies, weil sich meine Haare an meinen Armen regelrecht aufrichteten und ein erregender Schauer sich durch meinen ganzen Körper zog. Es lag an diesem Donnerstag ein Gewitter in der Luft. Irgendwie passt dieser Wochentag auch zu einem Gewitter, denn es ist der Tag des Thor, der Gott des Donners. Ich hatte an diesem Tag einen Traum, der meine kleine „Welt“ ins Wanken brachte – ein Traum, der mir etwas zeigen wollte und mein Leben aus seinen festgefahrenen Bahnen riss. Ein Traum war für mich bis dahin immer ein illusorisches Spiel mit meinen Tageserlebnissen, die sich in einer Folge von bizarren Bildern wiederholten, aber dieser Traum ließ meine Vorstellung von der Realität wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Die Illusion von der Realität erhob sich langsam, als ein stetig fester werdender Gedanke, in mir auf – ein Gedanke, der meine Synapsen zu einer wirren Vibration anregte.
An diesem Abend ging ich für meine Verhältnisse ungewöhnlich früh zu Bett (denn ich bin eher ein Geschöpf der Nacht). Des Nachts fühle ich mich erheblich freier und beschwingter, meine Kreativität erwacht einfach so, ohne dass ich die Gedanken meines alltäglichen Erlebens verdrängen muss. Nachdem mir die Augen zugefallen waren, ist mir ein Licht erschienen – ein Licht, das mich fast schon blendete! Ich öffnete meine Augen, zumindest dachte ich, dass es so sei, und sah mitten in das Licht hinein. Ich meinte zu bemerken, dass es von oben herab auf mich schien; allerdings ist meine Unsicherheit, was den dreidimensionalen Raum betrifft, hierbei recht groß, denn die Richtungen waren nicht ohne weiteres zu trennen. Ich dachte noch, dass sich die Schwerelosigkeit ähnlich anfühlen müsse. Das, was ich als oben wahrnahm, könnte genauso unten gewesen sein, aber das spielt eigentlich keine große Rolle.
Das Licht war es, das mich ziemlich nervös machte, vielleicht macht es das sogar immer noch? Es war absolut real, es strahlte sogar eine gewisse Wärme aus, die meinen Körper zu durchdringen schien. Ich fühlte mich transparent – oder besser gesagt – fühlte es sich an, als ob irgend etwas mich durchleuchtete, dieses Gefühl ist schwer beschreibbar – aber stellen Sie sich mal vor, Sie leuchten mit einer Taschenlampe auf Ihre Hand und das Licht kommt zur Hälfte auf der anderen Seite wieder heraus. Die andere Hälfte wird von Ihrer Hand absorbiert und sie fühlt sich wärmer an, so in etwa war es, nur dass es meinen ganzen Körper betraf. Es war herrlich und beängstigend zugleich: Ich befand mich in der Mitte dieser beiden Gefühlszustände. Wenn Sie mir diesen Ausdruck gestatten, dann würde ich sagen, dass es göttlich war, ein Ausdruck reiner Liebe. Die Liebe erscheint vielen nur als ein Gefühl, aber ich weiß, dass es eine Energie ist. Auch wenn Gefühle und Gedanken nicht mehr als Energien sind, so unterscheidet sich die Liebe dennoch sehr deutlich von diesen flüchtigen Energien. Sie verinnerlicht auf ihre Weise gut und böse, um das Maß ihrer großen Kraft zu erreichen. Seltsam ... alles erscheint mir seitdem so klar, vielleicht lebe ich ja seit diesem Vorfall im Licht?
Als ich damit begann, mein Umfeld etwas genauer zu sondieren, fiel mir auf, dass hinter dem Licht etwas war. Ich kann es nur als ein schemenhaftes, rundes Etwas bezeichnen, das sich zu bewegen schien. Es bewegte sich nicht hin und her, sondern es drehte sich, ob schnell oder langsam, kann ich nicht sagen, denn dieses Drehen könnte auch ein Stillstand gewesen sein – ein Stillstand, der sich bewegte. Wie ich Ihnen das erklären soll, weiß ich nicht, am besten versuche ich es erst gar nicht.
Ich überlege gerade, ob es ein Objekt oder eine Energieerscheinung war, ich bin mir fast sicher, dass es ein Objekt war. Allerdings fällt mir gerade ein, dass meine Füße irgendwie komisch aussahen, sie waren durchsichtig und hatten einen feinen Glanz. Es kam mir plötzlich in den Sinn, dass so eine radioaktive Strahlung aussehen könnte, wenn sie für das bloße Auge sichtbar zu machen wäre. Als ich damit begann, das Licht genauer zu beobachten, fiel mir auf, dass es seine Gestalt veränderte, es nahm Formen an, die ähnlich der wabernden Masse in einer Lavalampe glichen und sich um ihre eigene Achse ständig zu verwandeln schien. Ich hatte so etwas zuvor noch nie gesehen.
Eine weitere Eigentümlichkeit hat ihr Abbild in meinen Erinnerungen auf eine sehr prägnante Weise hinterlassen. Es war ein sanftes Pulsieren, welches das Farbspektrum eines Regenbogens hatte. Es erinnerte mich irgendwie an einen heißen Strom von frisch fließender Lava. Komisch, dieses Pulsieren ist mir am Anfang gar nicht aufgefallen. Jetzt, genau eben gerade, drängt sich mir der Gedanke auf, dass es kein Gebilde im herkömmlichen Sinn war, denn seine Struktur war viel zu schemenhaft, so, als ob Sie unter Wasser über eine längere Strecke einen mittelgroßen Fisch beobachten würden.
Es war wie ein Erinnern, als wenn ich schon immer gewusst hätte, was es war: So groß, so rund und strahlend ... ich war es. Meine Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt. Ich sah mich und dahinter war nur ich, unendliche Male war nur ich zu sehen; alle diese Ichs waren überlagert. Es war mein Fluss der Zeit, der sich nun mit einem weiteren Aspekt seiner Ganzheit verbinden wollte. Eigentlich habe ich nie etwas von der Theorie der verlorengegangenen Seelenanteile gehalten, aber nun konnte ich es ganz klar erkennen und musste es somit akzeptieren, denn diese Situation ließ keinen Widerspruch mehr zu. In diesem Moment begann auch schon die Verschmelzung, ich wurde eins mit mir selbst und ich erkannte den wahren Träumer – ich war es, der den Traum von meiner Welt träumte. Ich erkannte auch, dass es noch viele weitere Träumer gab, manche waren menschlich, andere waren nicht menschlich, viele waren noch nicht einmal organisch. Wir alle sind gleich, nicht hier, aber dort, weit hinter dem Schleier des pulsierenden Lichtes, hinter dem die Zeit ihre Existenz verliert. Diese Gleichheit wirkte trotz dieser bizarren Situation eigenartig beruhigend auf mich ein. Alle Gefühle der Angst waren fortan verschwunden, sie hörten einfach auf zu existieren und die Energie der Stärke, die sich aus dieser Verschmelzung ergab, transformierte alle meine positiven und negativen Charaktereigenschaften in eine neutrale Eigenschaft.
Meine ganzen Bemühungen, mit denen ich versuchte, die Quantenmechanik zu verstehen, erschienen mir plötzlich lächerlich, denn das, was man verstehen kann, ist keine physikalische Tatsache, sondern das Leben mit seinen vielen Unterfacetten, welche sich durch Raum und Zeit ziehen. Ein Atom ist nicht mehr oder weniger als ein Universum, es besteht aus Subatomen und diese wiederum bestehen aus noch kleineren Teilchen und so geht es immer weiter und was am wichtigsten ist: Es hat genau wie ich einen Träumer, ein Träumer der sich von seiner Selbst trennte, um zu erfahren, dass es auch Variationen gibt, die den ursprünglichen Einheitsbrei zu etwas Vielfältigem machen können. Mit diesem neuen Erleben der Welt will ich nun meine eigene Welt ganz neu erschaffen, um das Vielfältige in einer ganz neuen Struktur erscheinen zu lassen und dem ursprünglichen Einheitlichen eine andere Form der Erfahrung zu geben. Das Leben ist doch schöner, als man es sich weitläufig denkt; mit diesen Worten will ich Sie nun verlassen, um meine Reise in meine eigene Welt(en) fortzusetzen ...
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